Gobi Desert

Wir fahren los. Der Wetterbericht hat am Morgen Regen vorausgesagt und tatsächlich fallen drei Tropfen auf den Tank der BMW als wir aufpacken. Das war aber auch schon alles, wir fahren Richtung Sonnenschein und gegen Mittag wird es ziemlich warm. Meteorologen halt.

Zehn Uhr: Wüste. Elf Uhr: Wüste. Zwölf Uhr: Sand und Steine. Ein Uhr: mehr Sand und weniger Steine, gottseidank alles neben der Straße. Die führt mitten durch die Wüste Gobi, bestens asphaltiert und öfters schnurgerade bis zum Horizont.

Wieder liegen eine Menge Rinderkadaver neben der Straße, anscheinend verdurstet oder sonstwie umgekommen. Ganz selten ist ein Hirte bei den Herden, die vollkommen zerstreut durch die Gegend ziehen. Es ist sowieso unklar, was die überhaupt hier fressen, denn außer ein paar grünen Halmen gibt es nur – siehe oben – Sand und Steine. Wahrscheinlich machen sie es so wie die Ziegen unseres mongolischen Ziegenhirten: am Morgen ziehen sie alleine los und am Abend kommen sie von selber wieder heim.

Von Zeit zu Zeit sehen wir weit entfernt in der Wüste Zelte – der Fachmann sagt „Ger“ dazu; nichts zu danken – daneben steht oft ein kleines Motorrad. Heutzutage ist es ja einfacher, Vorräte oder Wasser dorthin zu bringen, aber ein oder zwei Generationen früher war das wohl anders. Als wir das Motorrad vor unserem Flug nach Ulan Bataar bei den Eltern unserer Bekannten abstellen konnten wir einen Blick in deren Ger werfen. Sah sehr gemütlich aus, allerdings kann man die Kinder dort nicht in die Ecke stellen lassen wenn sie schlimm sind. Wahrscheinlich kommen sie dann in den Ziegenstall.

Relativ früh kommen wir nach Sainschand und landen im Lux Hotel. Das ist sehr gut und wir schauen am Nachmittag wieder Fussball-WM. Bis zur Grenze sind es nur mehr zirka zweihundert Kilometer und wir müssen erst in drei Tagen vormittags dort sein. Vor der Grenze werden wir daher nochmal zwei Tage Pause machen.

On the Road Again

Heute fahren wir weiter. Vor uns liegen sechshundert Kilometer durch die Wüste Gobi – aber auf Asphaltstraße. Es ist Samstag und halb Ulan Bataar fährt nach Süden zum Dschingis Khan Reiterstandbild oder zum Schildkrötenfelsen. Deshalb staut es sich auch die ersten vierzig Kilometer. Dann sind wir aber fast alleine auf der Straße zur chinesischen Grenze. Schön langsam treten die Wiesen und Hügel zurück und machen der steinigen Wüste Gobi platz. Obwohl es Mitte Juni ist und die Sonne scheint ist es durch den Fahrtwind angenehm kühl. Erstaunlich viele tote Rinder liegen neben der Straße, zum Teil schon arg verwest. Hie und da sehen wir Schaf- oder Rinderherden aber meist streckt sich die Straße bis zum Horizont oder verschwindet hinter Hügeln in der Ferne.

Am frühen Nachmittag haben wir mehr als zweihundert Kilometer geschafft und wir beginnen uns nach einer Unterkunft umzusehen. Wir haben noch drei Tage Zeit bis wir an der Grenze abgeholt werden und wollen nicht zu früh dort sein. In Tschoir werden wir fündig, in einer Gruppe von mehrstöckigen neuen Wohnhäusern ist ein kleines Hotel

. Der Fernsehabend ist auch gerettet, es ist Fussball-WM und heute spielt Frankreich gegen Australien und Argentinien gegen Island. Das dritte Spiel beginnt erst um Mitternacht, aber da träumen wir schon von der Fahrt durch die Wüste Gobi am nächsten Tag.

Sightseeing Modus

Es ist Mittwoch. Heute kriegen wir unser Visum. Um halb vier holt uns der Taxifahrer unseres Vertrauens vom Hotel ab. Den Weg zur chinesischen Botschaft kennen wir schon, pünktlich um vier Uhr öffnet sich die eiserne Pforte. Es sind nicht viele Leute da, sollte also schnell gehen. Denkste. Die Chinesen schaffen es, auch noch in die Abholprozedur Wartezeiten einzubauen. Aber schließlich haben wir unsere Pässe wieder und es klebt auch in jedem ein sieben Tage Visum. Sollte sich also bis zur Fähre nach Korea ausgehen.

Wir wollen zurück zum Hotel fahren, aber unser Taxifahrer bietet uns an zum russisch- mongolischen Freundschaftsdenkmal auf den Zaizan-Hügel zu fahren. Gemacht, da wollten wir ohnehin noch hin. Unterwegs fällt mir ein, dass wir uns auch den Bogd Khan Palast anschauen könnten. Den nehmen wir auch noch mit.

Hier wohnte der letzte mongolische König bis zur Umwandlung in die mongolische Volksrepublik. Der Sommerpalast ist Großteils ein buddhistischer Tempel, der Winterpalast daneben ist im europäischen Stil erbaut. Im Königspalast gibt es ein interessantes Museum, die Anlage ist nicht überrestauriert und wirkt so sehr authentisch. Wir erfahren viel über die Geschichte der Mongolei und über den mongolischen Buddhismus.

Gestern haben wir schon das Gandan Kloster in der Nähe unseres Hotels besucht. Es liegt – eigentlich untypisch – mitten in der Stadt und besteht aus alten und auch neu gebauten Hallen.

Dann geht es auf den Zaisan. Das letzte Stück zum Denkmal führt über eine lange Steintreppe bergauf. Unser Taxifahrer bleibt unten und wir keuchen hinauf. Oben hat man einen wunderbaren Rundblick über ganz Ulan Bataar.

Das Denkmal erinnert an die russisch-mongolische Freundschaft und die Hilfe der Russen nach dem zweiten Weltkrieg.

Es ist auch hier anscheinend wieder irgendein Schulabschluss-Feiertag, denn viele Gruppen von festlich gekleideten Jugendlichen sind unterwegs. Wir bedauern die vielen jungen mongolischen Schönheiten, die sich in High Heels die Steinstufen rauf und runter quälen, aber Schönheit muss nun mal leiden. Wir dagegen sind in Sportschuhen unterwegs und senden von hier einen Gruß in die Welt:

Moss on a Rolling Stone

„A Rolling Stone Gathers No Moss“ heißt es so schön. Nach einer Woche Ulan Bataar beginnt auf unseren Hintern schon leicht der Moosbewuchs zu grünen. Zeit wieder aufzubrechen. Die BMW ist gewaschen (beim Car Wash von zärtlichen Mongolinnenhänden eingeseift und abgerubbelt) und geschmiert (von meinen Pranken mit Kriechöl eingesprüht und abgewischt), wir sind ausgeruht und mein rechtes Handgelenk zuckt schon manchmal unkontrolliert nach oben, weil der Gasgriff fehlt. Wir vermissen das Brummen des Motors, das Rollen der Räder, das Pfeifen des Fahrtwinds und die sandige Piste.

Moment – das letzte bitte streichen. Wenn ich Sand auf der Straße sehe bekomme ich Nervenzittern und einen Ausschlag. Für den Rest meines Lebens werde ich um alles was feinkörnig am Boden liegt einen großen Bogen machen. Gottseidank ist die Straße bis zur chinesischen Grenze asphaltiert – hat man mir gesagt. Falls das nicht stimmt bleiben wir halt am Ende der Asphaltstrecke stehen und werden Ziegenhirten.

Dabei haben wir gestern im Oasis Cafe Leute getroffen, denen es noch schlimmer erging. Ein Koreaner, der mit einer Straßenmaschine fünf Monate lang durch die Welt fährt ist nach tausend Kilometer Mongolei und vielen Stürzen wieder nach Ulan Bataar zurückgefahren um hier sein Gefährt zu reparieren und neue Reifen zu kaufen. Jetzt hat er hinten Stollenreifen und vorne Slicks für die Rennstrecke, weil es dafür keine passenden Stollen gab. In ein paar Tagen will er wieder los. Wird sicher interessant.

Ein Kollege aus Niederösterreich erzählt von seiner Fahrt durch Sibirien und einem längeren Aufenthalt in einem Schlammloch samt Motorrad und Gepäck. Ein Australier humpelt vorbei mit einem frischen Gipsfuß und einem Packen Röntgenbilder unter dem Arm. Ihm ist bei einem Sturz sein Motorrad mit der Fußraste auf den Fuß gefallen – drei gebrochene Zehen und ein gebrochener Mittelfußknochen. Danach ist er noch hundert Kilometer weiter gefahren, weil dort liegen bleiben konnte er ja nicht. Bikerschicksale.

Nichtsdestotrotz, wir werden weiterfahren, allerdings erst nachdem wir unser Visum für China bekommen haben. In zwei Tagen soll das geschehen. Ich freue mich schon auf die interessanten Varianten der chinesischen Bürokratie, wie wir auf der Botschaft gesehen haben sind die Chinesen da ja sehr einfallsreich.

Fortsetzung folgt.

Dschingis Khan

  1. Heute ist Sightseeing angesagt. Unser bewährter Taxifahrer holt uns um zehn Uhr ab und wir fahren nach Süden zum Reiterstandbild von Dschingis Khan.

Es ist das größte Reiterstandbild der Welt, samt Sockel mehr als vierzig Meter hoch und steht auf einem Hügel etwa fünfzig Kilometer südöstlich von Ulan Bataar. Die Landschaft rundherum ist gewaltig, man blickt über die hügelige Steppe und auf Berge in der Ferne.

Im Inneren des Standbilds ist ein Museum und man kann mit einem Lift in der Statue bis zum Kopf des Pferdes hinauffahren. Als wir wieder herunterkommen treffen wir zufällig auch den mongolischen Khan mit seiner Gemahlin.

Beim Zurückfahren machen wir noch einen Abstecher in ein wunderschönes Seitental, wo es wie in den Rocky Mountains aussieht.

Es gibt viele Hotels und Camps mit mongolischen Zelten und es sind viele Leute unterwegs weil es Samstag ist und Picknickzeit. Wir machen Pause beim Schildkrötenfelsen und bewundern die Wiesen und Felsformationen.

Schließlich kommen wir noch bei einem Bikerfestival vorbei. Hunderte Motorräder stehen im Fahrerlager, es gibt eine Bühne, wo am Abend sicher der Bär steppt und die Unentwegten glühen mit ihren Enduros über die Wiesen und Hügel der Umgebung. Undenkbar in Österreich.

Wir reissen uns los und machen uns auf den Heimweg. In ein paar Tagen fahren wir wieder einen Teil des heutigen Weges nach Süden Richtung China. Bis dahin aber ruhen wir uns noch in Ulan Bataar aus und erkunden die Stadt. You Song hat schon einen Kaschmir Pullover, ich erst eine Dose Kriechöl und einen Strick für den wackeligen Seitenkoffer. Vielleicht kommen noch ein oder zwei Gummiseile dazu. Mal sehen.

Mission Accomplished

Vor eineinhalb Jahren habe ich begonnen überall herum zu erzählen „Wir fahren mit dem Motorrad in die Mongolei.“ Das Hirngespinst ist immer konkreter geworden als ich begonnen habe die Reise vorzubereiten. Infos wurden gesammelt, Landkarten und Ausrüstung gekauft, Inventur gemacht was schon vorhanden ist und was noch besorgt werden muss. Der Großteil davon ist auf diesem Blog an anderer Stelle beschrieben.

Die Mongolei war das Hauptziel, dann kam die Idee auf, weiter nach Korea zu fahren. Schließlich dachte ich mir beim Festlegen der Reiseroute „Warum nicht auch den Pamir Highway fahren?“

Das Hauptziel Mongolei und den Pamir haben wir erreicht. Bis Korea ist es nicht mehr weit. Die Reise war bisher hochinteressant aber auch sehr beschwerlich. Wenn wir jedes Detail vorher gewusst hätten, wer weiß ob wir losgefahren wären. Besonders die Mongolei hat sich als ein Land gezeigt das wunderschön ist, aber in seiner Gesamtheit mit unserem Motorrad nicht zu bewältigen. Den letzten Teil von Ulan Bataar bis zur chinesischen Grenze werden wir daher auf asphaltierter Straße besonders genießen.

Wir haben bisher alle Probleme und Schwierigkeiten überwunden und werden auch den Rest schaffen. Die nächsten Tage sind noch der Ruhe und Erholung gewidmet (heute waren wir im Kino – „Deadpool 2“, vorgestern die „Avengers“), am 16. Juni soll es dann wieder losgehen. Darüber wird natürlich wieder hier aus erster Hand berichtet.

Wiedersehensfreude und Abschiedsschmerz

Heute ist unser Motorrad angekommen. Als wir mittags von der chinesischen Botschaft zurückkommen ist bereits alles da: das restliche Gepäck steht staubüberzogen im Abstellraum des Hotels und die BMW auf dem Parkplatz ein Stück weiter sieht auch so aus. Der LKW-Fahrer hat alles bis zum Hotel gebracht, was wir gar nicht erwartet haben. Tolles Service von unserer mongolischen Freundin in Chowd! Jetzt steht die BMW sicher auf dem abgeschlossen Hotelparkplatz. Die Wiedersehensfreude ist groß, morgen fahren wir waschen.

Als You Song und ich essen gehen wollen haben wir das erste unangenehme Erlebnis der ganzen Reise. Beim Eingang in das Gebäude zum Restaurant rempelt ein junger Mann You Song kräftig an. Er entschuldigt sich gleich, ist aber schnell im Getümmel verschwunden. Mir ist absolut nichts aufgefallen, aber You Song merkt gleich dass ihr Handy verschwunden ist, das sie in der Seitentasche ihrer Jacke gehabt hat. Ich kann es zuerst nicht glauben, ich war ja direkt hinter ihr und habe nichts bemerkt, aber Tatsache: der Kerl hat das Handy geklaut. Der Abschiedsschmerz ist groß, aber es könnte schlimmer sein. Die Fotos sind bis auf die letzten zwei auf die Festplatte überspielt und das Handy war nicht neu. Ich habe ein Reservehandy mit und bald sind wir in Korea, wo es viele S9 gibt.

Ansonsten hat heute alles geklappt, wir haben unsere chinesischen Visa eingereicht und bekommen sie nächste Woche. Die Prozedur wäre einen Extrabericht wert, aber das würde zu lange dauern. Nur soviel: vor der Öffnungszeit da gewesen, mit zirka 50 anderen zwei Stunden vor dem Tor gewartet, dann drinnen wieder gewartet und zweimal wegen Lappalien zurückgeschickt. Aber meine mongolische Ausdauer hat sich durchgesetzt – mein dritter Vorname ist inzwischen Dschingis – und als sie absolut nichts mehr finden konnten um uns weiter zu schikanieren haben sie die Pässe da behalten um das Visum einzukleben. Der Höhepunkt war als sie unsere alten abgelaufenen Pässe sehen wollten, der aktuelle von 2015 genügte ihnen nicht. Wer schleppt schon abgelaufene ungültige Pässe auf einer Reise mit? Eine handgeschriebene Erklärung mit Auflistung der Länder in  denen wir vor 2015 waren hat’s dann auch getan.

Die nächsten Tage werden wir in Ulan Bataar mit Sightseeing verbringen. Einen Stammtaxifahrer haben wir schon.

Ulan Bataar

Um sieben Uhr läutet der Wecker, weil um zehn geht unser Flug nach Ulan Bataar. Das Motorrad mit zwei großen Taschen Zeug das wir in den nächsten Tagen nicht brauchen haben wir schon gestern bei den Eltern unserer mongolischen Bekannten abgegeben. Das alles kommt morgen auf einen Lastwagen, der dann zwei Tage später in Ulan Bataar ankommen soll.

Um acht Uhr sperrt die Bank auf, wir müssen noch schnell Geld wechseln für die Flugtickets. Ein Taxi fährt uns von einer Bank zur anderen, bei der dritten klappt es dann endlich. Auf den letzten Drücker kommen wir dann am Flughafen an, wir müssen heute mit weil morgen und übermorgen gibt es keine Tickets. Schließlich haut aber alles problemlos hin und wir schauen aus sechstausend Metern Höhe auf die Sandpisten, über die wir jetzt doch nicht fahren müssen.

Nach zweieinhalb Stunden landen wir in Ulan Bataar und der Mann unserer Bekannten holt uns mit einem SUV ab und bringt uns in ein Hotel. Hier bleiben wir mal die nächsten fünf Tage. Übermorgen wollen wir zur chinesischen Botschaft um das Visum zu beantragen, am Donnerstag soll dann unser Motorrad mit dem restlichen Gepäck ankommen und für den 20. Juni ist der Grenzübertritt nach China geplant.

Chowd – und eine Abkürzung

Gestern war ich noch gespannt. Heute bin ich nur noch abgespannt. Wir fahren guten Mutes von unserem Hotel in Ölgii los und genießen eine wunderbare Asphaltstraße. Das Wetter ist perfekt und die Landschaft phänomenal.

Aber leider nur für etwa sechzig Kilometer. Dann endet die Straße und die Tortur beginnt. Zuerst ist es nur Schotterpiste, die entlang der in Bau befindlichen neuen Schnellstraße führt – mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.

Dann verzweigt sich die Piste in mehrere Spuren und es kommen Stellen mit weichem Sand. Es dauert nicht lange und wir kugeln schon über die Dünen. Aus dem nächsten Minibus springen drei Mongolen und helfen uns das Motorrad wieder aufzustellen.

Weiter geht’s über die Piste des Schreckens, wir haben ja noch hundert Kilometer vor uns, bis wir laut Navi ein Hotel finden. Über Berg und Tal quälen wir uns im Schneckentempo dahin, zeitweise eingenebelt von den Staubfontänen der Lastwagen, die uns entgegenkommen oder überholen. Wie zum Hohn lacht uns von der Seite die großteils fertiggestellte Trasse der neuen Schnellstraße an, auf die wir aber nicht raufkönnen. Dann ist es wieder soweit: die Fahrspur wird tiefer, ich versuche mit etwas mehr Geschwindigkeit durch den Sand zu pflügen und diesmal stürzen wir auf die rechte Seite.

Uns ist wieder nichts passiert, aber die BMW hat’s diesmal etwas mehr erwischt. Ein Teil des rechten Zylinderschutzes ist abgebrochen und eine Befestigungsklammer des rechten Seitenkoffers. Wir nehmen das ganze Gepäck runter damit wir das Motorrad wieder aufstellen können, da kommt auch schon ein LKW mit hilfsbereiten Mongolen, die uns helfen.

Inzwischen schauen wir beide aus als hätten wir in Mehl gebadet, über und über mit Staub bedeckt und die BMW schaut auch nicht besser aus. Sie springt allerdings problemlos an und nachdem wir das Gepäck wieder aufgeladen haben fahren wir weiter. Es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig. Hinter jedem Hügel hoffe ich auf eine bessere Straße, aber es wird eher schlechter. Plötzlich höre ich ein dumpfes Geräusch. Der rechte Seitenkoffer hängt runter und streift bei jedem Einfedern am Hinterreifen. Ich erinnere mich an meinen zweiten Vornamen – McGyver – und befestige den Koffer mit Panzerband wieder am Gestell. Weiter geht’s.

Gegen Abend ist unser Tagesziel Chowd noch immer nicht in Sicht. Noch dazu haben wir uns verfahren, weil wir laut Navi auf einem Feldweg über einen Bergrücken fahren sollten, ich aber lieber der Trasse der neuen Schnellstraße gefolgt bin. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir dann doch noch die Stadt und finden ein Hotel. Nach elf Stunden Fahrt haben wir zweihundert Kilometer geschafft, davon aber etwa sechzig auf sehr guter Straße. Wir sind komplett fertig und beschließen auf alle Fälle einen Ruhetag einzulegen.

Am nächsten Morgen treffen wir beim Frühstück drei deutsche Motorradfahrer, mit denen wir schon in Russland gesprochen hatten. Sie sind einen Tag früher gekommen und haben ebenfalls einen Tag Pause gemacht.

Sie haben sich schon über den weiteren Verlauf unserer geplanten Strecke schlau gemacht und es sind keine guten Neuigkeiten. Von Chowd weg kommen etwa hundertfünfzig Kilometer gleiche Schotterpiste wie gestern, dann dreihundert Kilometer tiefer Sand bevor es endlich wieder Asphalt gibt. Die Deutschen wollen daher von hier aus wieder nach Norden auf die Nordroute fahren, wo es mehr asphaltierte Teilstücke geben soll. Allerdings warten dort auch Wellblechpisten und tiefe Flussdurchfahrten. Die Deutschen fahren los und wir beginnen unseren Regenerationstag. Allerdings kann ich mich nicht wirklich entspannen, die Aussicht auf weitere eineinhalb tausend Kilometer und etwa zehn Tage Fahrt auf ziemlich schwierigen Pisten macht mir zu schaffen. Wir sind jetzt mehr als zwei Monate unterwegs und doch ziemlich ausgepowert.

Daher überlege ich im Laufe des Tages Alternativen. Es gibt in Chowd einen Flugplatz und da fahren wir hin um einfach mal nachzufragen ob wir samt Motorrad nach Ulan Bataar fliegen können. Das geht zwar nicht, aber wir lernen auf Umwegen eine junge Mongolin kennen die am Flugplatz arbeitet. Sie vermittelt uns eine Transportmöglichkeit für das Motorrad auf einem Lastwagen nach Ulan Bataar, wir beide fliegen morgen voraus und nehmen in ein paar Tagen die BMW dort wieder in Empfang. Dann fahren wir zur Grenze nach China um das letzte Teilstück bis zur Fähre nach Korea zurückzulegen. Die nächste Nachricht kommt dann also aus Ulan Bataar.

Mongolei!

Premiere: die russischen Grenzposten in Taschanta an der Grenze zur Mongolei lassen uns tatsächlich zum ersten Mal unser ganzes Gepäck abladen und auspacken. Irgendwie schauen sie enttäuscht aus, als sie keine Waffen oder Drogen finden. Dabei schrammen sie nur ganz knapp am Erfolg vorbei, als sie die Medikamententasche von You Song inspizieren. „Morphium?“ fragt einer mit leuchtenden Augen und der Drogenhund wedelt auch schon ganz euphorisch mit dem Schwanz. Leider nein, und wir dürfen alles wieder einpacken.

Noch etwa sieben Kilometer gute russische Alphaltstraße bis zum mongolischen Grenzzaun, dann beginnt mit einer großen Grube einen Meter dahinter der mongolische Alltag. Mehr als zwanzig Stundenkilometer sind nicht drin, aber nach einem kleinen Hügel kommen wir schon zur mongolischen Grenzstation. Dort ist erstmal wieder Pause angesagt bis sich nach einer dreiviertel Stunde das Tor öffnet und wir zur Zollbehandlung vorfahren dürfen. Der eisige Sturm hat uns inzwischen schon den letzten Nerv gekostet, aber wir machen natürlich freundliche Nasenlöcher zu allem was jetzt noch kommt. Die Zollkontrollorin will schon wieder dass wir unser Gepäck abladen und auspacken, verzichtet dann aber doch darauf als ich ihr kurz was vorbibbere. Stattdessen dürfen wir ins geheizte Zollhaus, wo wir die nächsten zwei Stunden mit Passkontrolle, Fahrzeugimport und Geldwechseln verbringen. Dann geht es hinein in die Mongolei, aber nur hundert Meter, bis mir in einer Bude am Straßenrand eine Fahrzeugversicherung verordnet wird. Ich hab’s ohnehin nicht eilig, weil ich schon die Rumpelpiste sehe, die auf uns wartet. Die Gegend ist eine Wucht, kahle Berge und Wüstenlandschaft, davon kriege ich aber wieder nicht viel mit, weil ich dauernd die nächsten zwanzig Meter auf der Straße peile, wo die wenigsten Löcher und Steine sind. Parallel zur Straße führen einige Spuren durch die Wüste, wo LKWs gefahren sind um den Querrillen auszuweichen, die auf der Hauptpiste über kurz oder lang jedes Fahrgestell zerlegen. Ich traue mich dort aber nicht hin, weil ich nicht weiß wie dort der Untergrund ist und in weichen Sand möchte ich auf keinen Fall kommen. Laut Navi ist der nächste größere Ort noch achtzig Kilometer entfernt, bis dahin haben wir wahrscheinlich alle unsere Plomben verloren und unser Hirn ist nur noch Wackelpudding. Da erblicke ich in einiger Entfernung am Straßenrand ein Motorrad, das anscheinend eine Panne hat. Ich fahre hin und bleibe stehen. Ein Mongole steht neben seiner chinesischen Maschine und fragt mich auf Englisch ob ich ihn abschleppen kann. Das geht leider nicht weil wir kein Seil haben, aber gemeinsam schieben wir sein Moped an und tatsächlich springt der Motor an und er kann weiterfahren. Wir sollen ihm unbedingt zu seinem Haus auf einen mongolischen Tee folgen, das nur ein paar Kilometer weiter im nächsten Dorf steht. Eigentlich möchte ich weiterfahren, aber plötzlich ist auch die Straße wieder asphaltiert und bei der Abzweigung im Dorf wartet schon der Mongole mit seinem Moped. Also folgen wir ihm nur ein paar Meter zu seinem Haus, das dem des tadschikischen Ziegenhirten ähnelt, wo wir im Pamir übernachtet haben.

Wir treten ein und es begrüßen uns die Schwester mit ihren Töchtern, der Bruder und die Oma, später kommen noch ein paar Freunde dazu. Ein deutscher Langzeittramper ist auch da und wir machen es uns bei Tee und Gebäck gemütlich.

Die beiden Mongolen können etwas Englisch, der Deutsche spricht Russisch, das die Mongolen auch verstehen und so können wir uns ganz gut unterhalten. Wir haben eine Menge Spaß und werden eingeladen, hier zu übernachten, was wir gerne annehmen.

Am nächsten Morgen erfahren wir dass heute ein Feiertag in der Mongolei ist, es gibt überall Feiern und Sportfeste. Übrigens ist jetzt auch für zwei Tage die Grenze zu, wir haben also gestern Glück gehabt noch drüber zu kommen. Gemeinsam mit der Familie fahren wir ins Dorf zur Schule, wo die ganze Gemeinde die Mütter mit den meisten Kindern mit Medaillen ehrt und die Kinder verschiedene musikalische Aufführungen machen. Es ist ein netter Vormittag, im Kreise einer mongolischen Dorfgemeinschaft und wir sind froh, nicht einfach durchgefahren zu sein. Am frühen Nachmittag fahren wir schließlich weiter, nachdem wir uns von unseren neuen mongolischen Freunden verabschiedet haben. Auf Facebook werden wir in Kontakt bleiben.

Bis Ölgi sind es nur mehr etwa siebzig Kilometer, die wir bis auf ein kurzes Stück Schotter auf guter Straße zurücklegen.

Hier finden wir ein gutes Hotel und bleiben eine Nacht bevor wir unser nächstes Ziel – Chowd – in etwa hundertfünfzig Kilometer Entfernung in Angriff nehmen. Bin schon gespannt wie die weitere Straße aussieht.