Das KGB-Verhör

Von Duschanbe führt die M41 nach Osten und dann südöstlich nach Chorugh. In der Bikerwerkstatt haben wir erfahren dass das die harte Route ist und nachdem wir das Foto von der KTM des russischen Kollegen im Schlamm gesehen haben waren wir sicher: dort fahren wir nicht. Wir sollten daher von Duschanbe gleich südlich fahren und in einem Bogen dann wieder nordöstlich nach Kulob. Die Straße ist gut, hat man uns gesagt, nur von Kulob nach Chorugh ist ein Stück Sandstraße. Auf der Karte sehen wir dass diese Strecke nahe der Grenze zu Afghanistan liegt, aber der Pamir Highway im späteren Verlauf geht ja auch direkt an der afghanischen Grenze entlang.

Wir fahren also los und die Straße ist wirklich nicht schlecht. Ziemlich eben führt sie durch ein großes Tal und durch viele kleine Dörfer und Städte. In Qurghon-Teppa sehen wir einen Wegweiser nach Kulob, unser Navi will aber weiter südlich fahren. Ich überprüfe die Karte am Handy und sehe dass hier eine kleine Straße über die Berge direkt nach Kulob geht. Wir beratschlagen kurz und sind uns einig: wir fahren keine kleinen Nebenstraßen über die Berge, auch wenn die hier noch nicht so hoch sind, sie sehen eher wie kahle Hügel aus. Also weiter dem Navi nach nach Süden, der clevere Norbert hat das ja im Hotel programmiert. Wie vorgesehen schwenken wir bald danach nach Osten und die Dörfer werden kleiner, die Straße schlechter. Dafür entschädigt uns die Landschaft mit grandiosen Ansichten. Die tiefstehende Sonne badet die Berge in goldenes Licht, ein Traum für jeden Fotografen. Plötzlich stehen wir vor einem Schlagbaum. Daneben scheint die Grenze zu Afghanistan zu sein, die Straße geht aber in Tadschikistan weiter. Die beiden Grenzposten lernen wieder unsere Pässe auswendig – von Austria hat auch hier noch nie jemand gehört- und schreiben unsere Daten in noch ein dickes Buch. Dann dürfen wir weiterfahren.

Es kommen noch ein paar Dörfer, die Straße biegt wie vorgesehen nach Nordosten ab – und dann wird es abenteuerlich. Plötzlich sind wir auf einer schmalen Schotterpiste, die sich durch die baumlosen Hügel schlängelt. Die Gegend ist atemberaubend schön, es weiden Pferde, Schafe und Ziegen ohne sichtbare Hirten und wir fahren einen wilden Slalom, meist im Schritttempo, Mal rauf und Mal runter. Die Schlaglöcher sind gewaltig, wir kommen an einem Fähnchen vorbei das mitten in der Straße steckt und ein Loch markiert in dem wir samt unserer BMW als Ganzes verschwinden falls wir hineinfahren würden. Kein Mensch würde jemals wieder von uns hören. Fall die Mutter der turkmenischen Schlaglöcher das sehen würde, ginge sie weinend in ihre Küche und käme nie wieder heraus.

Ich habe keine Ahnung, wie weit wir so durch die Berge fahren müssen, die Alternative ist aber, hier ein Zelt aufzuschlagen, denn mittlerweile naht der Abend. Nach einer geschätzten Stunde – es ist noch hell – sehen wir vor uns eine große Ebene durch die ein Fluss fließt. Noch etwa zwanzig selbstmörderische Kehren auf Schotter und wir sind unten. Endlich wieder Asphalt, da geht es schneller voran, jubeln wir. Zu früh, der Asphalt ist nur in Bruchstücken vorhanden ansonsten Schotter und Steine, wie gehabt. Wenigstens wieder Dörfer, aber nirgends eine Unterkunft zum Übernachten. Die nächste Polizeikontrolle kommt wie das Amen im Gebet und ich nutze die Gelegenheit um dem Amtsorgan mein inzwischen perfektioniertes Tadschikisch vorzuführen: Zeigefinger auf mich und You Song, den Kopf schief in die offene Handfläche gelegt und „Chrrr, Chrrr“ gesagt, dazu ein kreisender Zeigefinger und ein Schulterzucken. Es klappt. Das Amtsorgan antwortet mit zweimal Händeklatschen, einem Schwall Tadschikisch und einem undeutlichen Deuter nach vorne. Das kann nun alles heißen, wir übersetzen es aber mit „In zwei Kilometern im nächsten Dorf links.“ Etwas Optimismus muss sein.

Das nächste Dorf – Parchar – ist tatsächlich etwas größer und hat sowas wie einen Hauptplatz. Nochmal kurz nachgefragt und schon radelt ein junger Tadschike vor uns bis zu einem stattlichen Haus, das ich als Verwaltungsgebäude der lokalen Konsomolzen oder als staatlichen Hochzeitspalast identifiziert hätte. Es ist aber tatsächlich ein Hotel.

Unser Wunsch nach einem Zimmer erregt allerdings Ratlosigkeit. Auf der Terrasse sitzt ein würdiger Tadschike, anscheinend der Chef, der mir viele tadschikische Fragen stellt. Ich antworte mit dem, was mir gerade einfällt und hoffe, dass etwas Passendes dabei ist. Zu uns gesellt sich ein weiterer Tadschike in Uniform, ob Polizist, Gendarm oder Postbeamter kann ich nicht feststellen, und fragt mich ebenfalls viele Dinge. Netterweise bietet er uns von seinem Abendessen an, was wir aber dankend ablehnen. Wir sitzen auf der Terrasse und warten. „Die werden wohl unser Zimmer herrichten“ denke ich, als uns plötzlich ein junger Mann in Zivil auf Englisch anspricht. Neben ihm steht ein anderer, der ein Gesicht macht wie sieben Tage Regenwetter. „KGB“ sagt er freundlich, „Wir hätten ein paar Fragen.“.

„Kein Problem.“ antworte ich, sehe mich aber schon in einer feuchten Zelle sitzen. Es stellt sich heraus, dass wir uns in einem Teil Tadschikistan bewegen, wo wir wegen der nahen Grenze zu Afghanistan nicht sein dürften. Nur hat uns das keiner gesagt. Ich biete meinen ganzen Charme auf um zu erklären warum wir hier und nicht auf der Touristenroute sind und er wirkt. Sie nehmen uns ab dass wir harmlos sind und ermahnen uns morgen möglichst direkt nach Kulob und weiter nach Chorough zu fahren, was wir ohnehin vorhaben. Netterweise gibt uns der Jüngere dann auch noch seine Telefonnummer, falls wir unterwegs nochmal Schwierigkeiten bekommen sollten. Das Gesicht des Älteren verändert sich immerhin zu sechs Tagen Regenwetter plus ein Tag leichtes Nieseln, bevor er uns Auf Wiedersehen auf Russisch sagt. Warum nur rieselt es mir dabei kalt den Rücken runter?

Als alles geklärt ist bekommen wir unser Zimmer. Kein Vergleich zum Sheraton der letzten Tage, aber es kostet immerhin auch nur ein Zehntel. Mal sehen was uns morgen erwartet.

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