Über die kasachische Steppe

Von Almaty bis an die russische Grenze sind es über tausend Kilometer. Davon sind dreihundert „good road“ und siebenhundert „very bad road“ wie man uns sagte. Die „good road“ haben wir hinter uns, das war die Strecke bis Taldiqorqan, feinste Autobahn. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Wir fahren los und… asphaltierte Bundesstraße. Zwar mit Schlaglöchern, stimmt, aber im Pamir hätten wir uns diese Straße gewünscht. Mit der Zeit wird sie noch etwas schlechter, manche Passagen sind schon heavy, aber dann kann man wieder kilometerlang im fünften Gang dahincruisen. Wieder fasziniert uns die Landschaft, allerdings kann ich nicht viel nach links und rechts schauen, sonst springt mich unversehens ein tiefes Schlagloch an.

Wir halten bei einer kleinen Fernfahrerbude wo es eine gute Suppe und andere Speisen gibt. You Song ist gottseidank wieder bei Appetit und da geht’s mir auch gleich besser. Plötzlich kommt ein Kasache herein und zeigt mir in Zeichensprache ein Fahrzeug das umfällt. Einer der geparkten LKWs wird’s wohl nicht sein, also gehe ich hinaus und wirklich: die BMW liegt auf dem Rücken und streckt beide Patschen in die Höhe. Der Asphalt hat unter dem Seitenständer nachgegeben und sie hat sich hingelegt. Es braucht drei Kasachen und mich, um sie wieder auf die Beine zu stellen, dann mache ich eine Schadensbilanz. Die Befestigung der linken ToolTube ist ausgerissen, der linke Blinker hat sich wieder zerlegt und da liegt ein Stück Metall. Leider gehört das auch zur BMW. Nach kurzer Suche ist klar: nichts Lebenswichtiges, sondern die untere Halterung des linken Seitenkoffers ist abgebrochen. Die fixiert den Koffer damit er nicht wackelt und am Auspuff ankommt. ToolTube und Blinker sind schnell repariert, der Seitenkoffer ist auch ohne die abgebrochene Strebe arretiert, außerdem liegt da unser ganzes sonstiges Gepäck drauf, also verlieren können wir den nicht. Ich widme mich wieder meiner Suppe, dann fahren wir weiter.

Unterwegs sehe ich im Geist aber Bilder einer brennenden BMW, weil das Plastik vom Seitenkoffer am Auspuff schmilzt und Feuer fängt. Ich bleibe also stehen, sehe dass nichts schmilzt aber zur Sicherheit schnitzt der clevere Norbert einen Stock von einem Strauch am Straßenrand und klemmt ihn zwischen Koffer und Auspuff. McGyver ist mein zweiter Vorname.

Als es Abend wird tanken wir und gegenüber ist praktischerweise gleich ein kleines Hotel. Ich wäre nie draufgekommen, denn die Aufschrift ist kyrillisch (und nein, es steht nicht „Hotel“ auf kyrillisch drauf), aber der Tankwart zeigt mit dem Finger hin und dann hab ich’s kapiert. Also eingecheckt und ab in die Heia.

Am Morgen sehe ich dass unter dem Türstock zum Schlafzimmer ein Tier mit vielen Beinen wohnt. Gottseidank ist es nicht in der Nacht kuscheln gekommen. Ab jetzt zeigt die kasachische Steppe ihr wildes Gesicht. Die Straße ist ein gerader Strich bis zum Horizont, links und rechts ist alles brettleben. Es fahren auch kaum Autos, nur manchmal Fernlaster und hier und da Privatautos. Erstaunlich viele stehen mit einer Panne am Straßenrand, meist sind es Reifenschäden, was bei der Piste aber nicht wundert. Unser Motorrad brummt ungerührt dahin, ich muss nur Slalom zwischen den Schlaglöchern fahren. Gegen drei Uhr kommen wir nach Ayrob, einer etwas größeren Stadt mit einem Armeestützpunkt. Hier rasten wir in einem kleinen Hotel.

Ach ja, beim Einparken im Hof bin ich schon wieder auf der Schnauze gelegen. Motor in der Kurve abgewürgt – pardautz. Die BMW hat nix, nur mein Stolz ist arg angeknackst. Zuerst machen ein paar kasachische Mädels Fotos mit mir und dem Motorrad, dann kugle ich über den Hof. Die haben sehr gelacht. Ich weniger.

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